Neue Beratungsstelle für inklusive Wohnprojekte in Norddeutschland startet

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Foto: Das Team der Regionalstellen mit Tobias Polsfuß (Mitte oben)

Der Verein WOHN:SINN eröffnet in Bremen eine Beratungsstelle für inklusive Wohnprojekte in Norddeutschland. Das ist eine von bundesweit vier Beratungsstellen. In einem fünfjährigen Projekt soll die Wohnsituation von Menschen mit Behinderungen in Deutschland nachhaltig verändert werden.

Im Norden begleitet Lars Gerhardt Privatgruppen sowie Organisationen der Behindertenhilfe und Wohnwirtschaft in Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein bei der Planung und Umsetzung von Wohnformen, in denen behinderte Menschen selbstbestimmt mit anderen Menschen zusammenleben. Er selbst hat in den letzten Jahren zusammen mit anderen Eltern und jungen Leuten mit und ohne Behinderung als Inklusive WG Bremen e.V. ein Wohnprojekt verwirklicht, das überregional für Aufsehen sorgte.

Lars Gerhardt für die Regionalstelle Nord

Lars Gerhardt ist Geschäftsführer des Vereins Inklusive WG Bremen. Zum inklusiven Wohnen kam er durch die Liebe. Die Tochter seiner Lebensgefährtin hat das Downsyndrom. Gemeinsam mit anderen behinderten Menschen und ihren Angehörigen entwickelte er eine inklusive Wohngemeinschaft, in der seine Ziehtochter nun unter Gleichaltrigen mit und ohne Behinderungen wohnt. Der Weg dahin war lang und steinig. Behördengänge, Grundrisspläne, Spendenakquise und vieles mehr musste durch- und abgearbeitet werden. Damit es andere nach ihm leichter haben, gibt Lars Gerhardt in der Regionalstelle Nord von WOHN:SINN nun sein Wissen an Privatgruppen sowie Organisationen der Behindertenhilfe und Wohnwirtschaft in Norddeutschland weiter.

„Unser Ziel ist, dass auch Menschen mit Behinderung so leben können, wie sie es sich wünschen, denn Wohnen ist ein Menschenrecht“, so Tobias Polsfuß, Geschäftsführer von WOHN:SINN und Leiter des Projekts, in dessen Rahmen die Beratungsstellen in Bremen, Dresden, Köln und München an den Start gehen. Experten wie Lars Gerhardt bringen hier die kommenden Jahre mit Vorträgen, Schulungen, Vernetzung und Begleitung inklusives Wohnen in ihren Regionen voran. „In fünf Jahren sollen alle Organisationen, die Wohnraum für Menschen mit Behinderungen planen und alle Betroffenen, die selbst etwas auf die Beine stellen möchten, über ein inklusives Haus oder eine inklusive Wohngemeinschaft nachdenken – und sich im besten Fall dafür entscheiden“, erklärt Polsfuß. Er selbst wohnt seit sieben Jahren in einer WG zusammen mit behinderten und nicht-behinderten Mitbewohner*innen.

Bisher führen diese innovativen Wohnformen in Deutschland noch ein Nischendasein. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: In inklusiven Wohnformen leben Menschen mit und ohne Unterstützungsbedarf auf Augenhöhe und gemeinschaftlich zusammen. „Hier kann ich selbst entscheiden, was ich unternehme oder wann ich ins Bett gehe“, erklärt Pierre Zinke, langjähriger Bewohner einer inklusiven WG in Dresden und zweiter Vorsitzender von WOHN:SINN. Vielfach sind es Studierende, die nach dem Prinzip „Wohnen für Hilfe“ in inklusiven WGs leben und stundenweise ihren behinderten Mitbewohner*innen im Alltag und Haushalt helfen. So entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Pädagogische Fachkräfte und Pflegekräfte unterstützen die Bewohner*innen entsprechend ihrem individuellen Bedarf, sodass heute auch Menschen mit komplexem Pflegebedarf inklusiv leben können.

Der Startschuss erfolgt Anfang November auf einem Online-Event. Interessierte können hier das Projekt und die Beratungsstellen bequem von Zuhause aus kennenlernen. Zudem bieten die Expert*innen von WOHN:SINN spannende Workshops an.

Die Regionalstelle Nord bietet am 17.12.20 und 21.1.21 die nächsten Online-Angebote an. Aktuelle Informationen finden sich auf www.wohnsinn.org

Damit die Beratung der Regionalstellen neben den reichhaltigen Erfahrungen aus der Praxis auch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fußt, erforscht WOHN:SINN gemeinsam mit der Medical School Berlin die Gelingensfaktoren erfolgreicher inklusiver Wohnprojekte. Die Ergebnisse werden in einem Leitfaden, Erklärvideos und Arbeitsmaterialien auf der Onlineplattform von WOHN:SINN aufbereitet. So soll es für alle – ob Fachkräfte, Behörden oder Betroffene – sehr viel einfacher werden, eine inklusive Wohnform zu planen und umzusetzen. Die Evangelische Hochschule Ludwigsburg evaluiert, ob durch das Projekt die Wohnsituation behinderter Menschen nachhaltig verbessert wird. Finanziert wird das Projekt durch die Aktion Mensch Stiftung, Business-Angel Joachim Schoss und weitere Förderer.

Zu WOHN:SINN – Bündnis für inklusives Wohnen e.V.: WOHN:SINN ist ein Zusammenschluss von inklusiven Wohnprojekten, Forschungsinstitutionen, Anbietern der Behindertenhilfe, Stiftungen, Unternehmen der Wohnwirtschaft, Interessenverbänden, Inklusionsaktivist*innen und vielen anderen Engagierte im deutschsprachigen Raum. Der Verein wurde 2018 aufbauend auf dem bundesweiten Netzwerk gegründet, das sich über die Onlineplattform WOHN:SINN (www.wohnsinn.org) gefunden hatte. Die Arbeit von WOHN:SINN wird finanziell unterstützt von der Aktion Mensch Stiftung, Scout24-Gründer und Business-Angel Joachim Schoss, der GWM Wohnungsgesellschaft, der Kämpgen-Stiftung, der Dr.-Franz-Stüsser-Stiftung, der Stiftung Trias und den Fördermitgliedern des Vereins.